Prolog

15.02.2014 13:32

(Bestellnummer ISBN 978-3-8442-8571-0)

Als wäre ich nicht gewarnt worden! Aber ich weiß ja immer alles besser, und jetzt hab ich den Salat! Mist! Wie kann man als Lehrer nur so blöd sein, frage ich mich. Ist es so schwer, Mathematik so zu erklären, dass ein Normalsterblicher Schüler in der 5. Klasse begreifen kann, was der Lehrer da von ihm will? Mein Mathelehrer jedenfalls war eine Pflaume, echt wahr. Und nicht nur in der Schule, ich hab ihn Jahre später mal bei einem Tanzkurs gesehen …Fremdschäm-Faktor mindestens 100 %.  Und wie der immer aus der Wäsche geguckt hat mit seinem zurückgeschobenen Unterkiefer. Da konnte ihm bei Sauwetter wenigstens nix reinregnen, aber ausgesehen hat das nicht wirklich schlau. Vielleicht hat man als Mathelehrer irgendwo anders Defizite, so als ausgleichende Gerechtigkeit. Mir kann’s jetzt egal sein, ich muss die Schule verlassen, aber auf eigenen Wunsch! Sagen meine Eltern jedenfalls, weil ich in Mathe eine Niete bin und mir sonst nicht zu helfen ist, wenn ich mal was werden will in meinem Leben. Ich habe die 5. Klasse schon einmal freiwillig wiederholt, bin danach auch knapp in die 6. versetzt worden. Hat aber nicht geholfen, weil mein Mathelehrer mir auch erhalten geblieben ist. Auf so einen „Schatten“ kann ich verzichten. Vielleicht macht der das mit Absicht, zuzutrauen ist ihm das, ehrlich. Dabei gab es auf meinem Gymnasium Unmengen Mathelehrer, mindestens vier. Hätte ich da nicht eine Chance gehabt, mal einen anderen zu erwischen, keinen schlauen, aber mal einen Neuen? Nein!  Was mich aber wirklich ärgert, was er zu meinem Vater gesagt hat. Aber dazu muss ich kurz mal ausholen, sonst wirkt es nicht. Also, das kam so:

Mein Vater war damals Bundesbahnoberinspektor. Was das bedeutet, weiß ich nicht so genau, aber er hat gut verdient und war ein gern gesehener Mann (da könnte sich der Mathelehrer schon mal ´ne Scheibe dran abschneiden). Und weil wir schon alles versucht haben, Nachhilfe, Besuch von Klassenkameraden und so, aber nix geholfen hat, wollte mein Vater ein Gespräch mit meinem Lehrer führen. Er hat einen Termin bekommen, war gut eine halbe Stunde bei ihm im Sprechzimmer und kam danach mit vor Zorn dunkelrotem Gesicht zu uns nach Hause. Was war passiert, hatte mein „Mathe- Schatten“ über mich hergezogen und behauptet, ich würde den Unterricht stören? Nein! Er hat meinen Vater gefragt, ob er glauben würde, dass ein „einfacher Bundesbahner-Sohn Mathematik überhaupt begreifen könne“! Daher die Gesichtsfarbe von meinem Vater und der Entschluss, den Familienkriegsrat einzuberufen. Ich habe mich insgeheim gefreut, dass ich nicht als Sündenbock dastehe, hatte schon mit Ärger gerechnet.

Aber es kam dann richtig dick, und davon handelt dieses Buch. Von Rudelverhalten, umgekippten Hühnerlastern, einer Leiche mit Blähungen und von der ersten Liebe. Von Bordellbesuchen im Morgenmantel, Schülerstreichen, Klassenbucheinträgen und, ganz klar, von einem unfähigen Mathelehrer. Und weil meine neuen Klassenkameraden aus ganz Europa kamen (jedenfalls zwei) heißt dieses Buch „Inter“. Weil wir alle ganz schön durchgeknallte Sachen erlebt haben „Nuts“ (engl. = durchgeknallt). Internutsgeschichten halt.

Also herzlich willkommen im Internat.

-Das Myzel-

Das war das erste, was ich von meinem Biolehrer gehört habe, direkt nach „guten Morgen“. Und es ist das wichtigste an das ich mich noch deutlich erinnere nach all den Jahren. Mein Biolehrer hieß Herr Tögel und war noch ein Jahr älter als Herr Neckel, nämlich 76. Das hatte Auswirkungen auf seine Zähne. Die hatten sich im Laufe der letzten Jahre nach und nach verabschiedet. Vorab schon mal einzeln ins Gras gebissen. Herr Tögel und seine Zähne schlafen jetzt getrennt. Und das Wort, was seine 3. Zähne nicht leiden konnten, war „Myzel“. Die wollten beim „z“ immer rauskommen, um nachzusehen, ob Herr Tögel noch lebt. Er hat sie immer erst kurz vor dem Absturz aufgefangen. Das war spannend. Und der Grund dafür, dass wir ihn immer wieder einmal nach dem Wurzelgeflecht von Pilzen gefragt haben. Ich sehe und höre ihn dann immer „Das Myzel“ sagen und muss lächeln. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Und dafür, das er uns in Chemie sehr eindrucksvoll den Unterschied zwischen rotem, grünem und gelbem Phosphor gezeigt hat. Erzähle ich, wenn wir Chemie haben, jetzt ist Bio.

Nachdem sich Herr Tögel tapfer durch das Myzel manövriert hat, beginnt er jetzt mit dem Thema der heutigen Stunde: „Die Fortpflanzung“ Oha, es wird spannend! Ein paar Dinge sind mir in der letzten Zeit von meinen früheren Klassenkameraden schon erklärt worden. Manches könnte eine nähere Erläuterung vertragen. Nicht, dass ich im entscheidenden Moment dumm dastehe. Zum Beispiel bei einer Klassenarbeit. Was haben Sie denn jetzt gedacht. Dafür könnte ich Ihnen drei „Vaterunser“ und fünf „Gegrüsset seist  du Maria“ verordnen. Glatt aus der Hüfte heraus. So bin ich, da müssen Sie gut aufpassen. Nachher missioniere ich Sie noch, „Beutekatholizismus“ nenn ich das. Also Achtung, ich weiß, wovon ich rede. Das haben die im Internat all die Jahre bei mir versucht. Aber ich bin standhaft geblieben. Nach dem Internat bin ich aus der Kirche ausgetreten. Auch die Evangelien haben mich verloren. Nicht Schade drum, denke ich mir. Und in die Kirche darf ich trotzdem, wann und wo ich will, denn es gibt noch keine Ausweiskontrolle und auch keine Eintrittskarten. Obwohl, wenn das so weitergeht sind die Kirchen bald ausgestorben.  Trotz freiem Eintritt! Wo wir jetzt wieder beim Thema Fortpflanzung währen. Denn der Tögel eiert da vorne rum, das ist ja nicht zum Aushalten. Kriegt schon beim Thema „Eier legen“ einen hochroten Kopf, ich glaube, der hat Blutdruck. Wenn die in der katholischen Kirche  solche Probleme damit haben, dürfen sie sich wegen leerer Kirchen nicht aufregen. Woher soll´s denn kommen? Wer richtig arbeiten will, muss sich auch schmutzig machen dürfen! So sehe ich das.

Wir erfuhren in dieser Stunde außer Eierschale und Dotter in Verbindung mit Brutzeit nichts prickelndes. Das ist bis zur zehnten Klasse so geblieben, wir haben Brehms Tierleben rauf und runter durchgenommen. Bloß bei den Affen mussten wir aussetzen, ich weiß nicht, warum. In der 10. hatten wir Vertretung bei einer Lehrerin aus der Stadt, Frau Reifert. Als die dann zum Thema hätte kommen können, wurde sie wieder ausgewechselt gegen Herrn Tögel mit Eiern und Myzel. War aber kein Problem, denn ich hatte ja die letzten fünf Jahre Internat, da sind solche Bildungslücken schnell ausgeräumt. Da habe nur ich manchmal Blutdruck bekommen. Na ja, die Erklärungen waren halt ab und zu ein wenig drastisch, trotzdem eingängig und leicht zu verstehen. So ganz unbedarft bin ich ja nicht, ich hab auch Augen im Kopf. Das es zwei Arten von Menschen gibt, habe ich schon selber festgestellt. Als meine Eltern beschlossen hatten, mit mir über das Thema zu sprechen, konnte ich einfach abwinken und meinem Vater Blutdruck ersparen. So, das zum Thema Bio, jetzt ist erst mal große Pause. Dann geht es weiter mit Physik, bei Herrn Neckel, dem Matheguru. Bis dann….
 

- Physikalische Größen –

 

 

Eine physikalische Größe ist zum Beispiel das Gewicht. Auch der Aggregatszustand, ob fest, flüssig oder gasförmig. Wir haben heute Wasser, und das kann alles hintereinander und zusammen. Ich meine, es kann schwer sein und gleichzeitig auch noch fest und so weiter. Hinzu kommt noch die Zeit, in der das Wasser sich gerade befindet. Klingt zwar verwirrend, ist aber ganz einfach. Das Wasser haben wir heute, und es ist flüssig. Was gestern war, interessiert uns jetzt nicht. Und morgen könnte es verschüttet sein, was dann eventuell an unsachgemäßem Umgang liegt. Oder an Herrn Neckel, denn der hat jetzt auch noch Luftdruck und Erdanziehung dazu gemischt. Ich erkläre das lieber mal schnell, sonst kommen Sie auch noch durcheinander! Also, das ist so: Herr Neckel hat flüssiges Wasser aus dem Hahn in ein Becherglas gefüllt, damit wir sehen können, das es durchsichtig ist. Schon komisch, ich dachte immer, dann sei es unsichtbar. Es ist aber eindeutig zu sehen, was an der Lichtbrechung liegt. Die lassen wir aber jetzt mal weg, die verwirrt nur. Herr Neckel hat jedenfalls bewiesen, dass das Wasser flüssig ist, jetzt im Glas und nicht gestern oder morgen. Zusätzlich kramt er aus einer Schublade eine durchsichtige Plastiktüte raus und gießt jetzt das Wasser da rein. Ein bisschen was zittert er an der Tüte vorbei, aber das macht das Alter und der Aggregatszustand von der Tüte und dem Wasser. Das schwabbelt dann alles rum. Das ist dem Neckel und der Tüte zu viel Bewegung. Na also, jetzt ist das Wasser größtenteils drin. Den Rest wischt er weg, den kann man vernachlässigen. Jetzt  kann´s losgehen.

Die Tüte hat er mit einem Gummiband verschlossen. Gummi ist dehnbar, Wasser nicht. Egal in welchem Zustand. Die Tüte ist leicht dehnbar, das lassen wir jetzt auch außen vor. Er hebt die Tüte hoch und trägt sie einmal durch den Mittelgang rauf und wieder runter. So können wir sehen, dass da was schwappt. Wieder vorne angekommen fügt er sodann den Luftdruck in Form einer Nadel hinzu. Soll heißen, er sticht kleine Löcher in die Tüte. Dann macht er die selbe Tour wie eben nochmal, rauf und runter durch den Mittelgang. Die Tüte hält er dabei über seinen Kopf, damit wir sie alle deutlich sehen können. Vor allem die kleinen Wasserstrahlen. Die können wir sogar fühlen. Und der Neckel anscheinend auch, denn er hat nasse Haare, als er wieder unten ankommt. Die Tüte ist leer, das Wasser gerecht verteilt und wir haben den Luftdruck trotzdem nicht gesehen. Wenn der Neckel ja jetzt einen Föhn hätte, dann vielleicht. Aber so nimmt er ein Handtuch und überführt seine Haare vom nassen in den trockenen Zustand. Kaum ist er damit fertig, serviert er uns die Erdanziehung als zusätzliche Komponente zum Wasser im Beutel mit Luftdruck. Aber nur mündlich. Das Wasser liegt in der Klasse rum und eine zweite Tüte hat er nicht mehr. Außerdem ist alles unsichtbar! Das geht dann nur rein Mental. Beweisen Sie das doch mal einer Klasse voll mit Schülern, die nur glauben, was sie sehen können!

Physik mit Herr Neckel macht echt richtig Spaß!